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Wenn die Alternativlosigkeit eine Alternative wird

VonTimo

Jun 19, 2014
Bildquelle: Harzkurier.de

Zum Scheitern der Fusion zwischen Bad Sachsa und der Samtgemeinde Walkenried
Ein Kommentar von Timo Rose, Ratsherr der Gemeinde Wieda

Die Fusionsbemühungen zwischen Bad Sachsa und der Samtgemeinde Walkenried, mit deren Mitgliedsgemeinden Walkenried, Wieda und Zorge, sind gescheitert.

Mich wundert dies nicht. Diese Entwicklung war abzusehen. In den letzten Monaten gab es keine ergebnissorientiere Treffen der Lenkungsgruppe, sondern lediglich subjektive Zumutbarkeitsmeinungen, was den Bürgerinnen und Bürger noch alles auferlegt werden kann. Nicht umsonst habe ich bereits früh die Arroganz seitens Bad Sachsa kritisiert und dafür massive Schelte einstecken müssen. Dabei war es für mich vor allem nicht vorstellbar, dass ein objektives Verteilen der Prioritäten innerhalb eines neuen, größeren, Stadtrates in Bad Sachsa, den dann alle Gemeinden angehören, möglich wäre, wenn schon vor der Fusion Forderungen gestellt werden, die unmöglich erfüllt werden können, ohne den Bürger so zu belasten, dass ein Leben in der Samtgemeinde schlicht nicht mehr finanzierbar ist.

Innerhalb der Fusionsverhandlungen hat Bad Sachsa die Samtgemeinde massiv in die Pflicht genommen, die Bürger auf extreme Einschnitte einzustimmen. Der Ton wurde insbesondere nach der Eigenentschuldung, die Bad Sachsa durchsetzen konnte, noch verschärft. So war oft natürlich die hohen Wasser- und Abwassergebühren der Samtgemeinde Walkenried ein Thema. Der Vertrag mit der WTE belastet die BürgerInnen der Samtgemeinde so massiv, dass weitere Einschnitte nicht nur weh tun, sondern schlicht weg nicht finanzierbar sind. Dies interessierte die Stadt Bad Sachsa wenig und eine Lösungsmöglichkeit wurde „ausgeklammert“. Man machte hierbei, von Seiten Bad Sachsa, deutlich, dass dies lediglich das Problem der Samtgemeinde wäre. Eine Verhandlung auf Augenhöhe hat es nie gegeben.

Dies ist gerade auch dewegen unverständlich, da die Samtgemeinde Walkenried massive und unsoziale Erhöhungen, wie es Bad Sachsa verlangt hatte, durchgesetzt hatte. Natürlich immer gegen meine Stimme. Hunde- und Grundsteuer, Gebühren für die Kindergartenbetreuung, Einführung der Wintergebühren, usw. wurden umgesetzt. Bad Sachsa forderte allerdings immer wieder erneute, weitere Einschnitte, um die Schuldenlast zu verringern. Letzendlich hat auch der letzte Vertreter der SPD und CDU in den Räten begriffen, dass weitere Einschnitte nun nicht mehr „vermittelbar“ sind. Natürlich war davon die Stadt Bad Sachsa nicht begeistern. Aber hinzu kommt, dass nach der Eigenentschuldung die Bevölkerung von Bad Sachsa immer mehr die Fusion ablehnte. Wer will schon eine verschuldete Samtgemeinde aufnehmen, wenn man selbst schuldenfrei ist? Und dann stehen im Juli 2014 auch noch Bürgermeisterwahlen an?

Die Linke. im damaligen Samtgemeinderat und nun im Gemeinderat Wieda hat strikt die Fusionspläne abgelehnt. Dies wurde u. a. mit dem massiven Demokratieabbau und „Übermacht“ der Stadt Bad Sachsa begründet. Die angestrebten Privatisierungsabsichten und Einschnitte in der kulturellen Infrastruktur, die sowieso kaum noch vorhanden war, konnte ich nicht mittragen. Diskutiert wurde darüber, was man noch in die Samtgemeinde erhalten kann. Letzendlich stand alles zur Disposition. Es sollte ein Kuhhandel passieren. Wenn man in Bad Sachsa Gebäude a lässt, könnte in der Wieda Gebäude b bleiben, usw. Allerdings wurde innerhalb der Informationsveranstaltungen eine ganz andere Sprache gesprochen. Bad Sachsa sah die Samtgemeinde in der Pflicht, schließlich hatte Bad Sachsa seine „Hausaufgaben“ in Hinsicht der Fusion gemacht. So wurde diskutiert, ob eine Grundschule in Walkenried, die immer weniger Kinder versorgen muss, noch Sinn macht. Man kam aber schnell von diesen emotionalen Themen für die Bevölkerung ab, da solche „Kleinigkeiten“ schließlich erst nach der Fusion in den Räten geregelt werden könnte. Die Informationsveranstaltungen für den Bürger waren dementsprechend recht oberflächlich, ohne konkrete Streichlisten zu benennen. Es hieß lediglich, was Bad Sachsa bereits an Erhöhungen und/oder Privatisierungen durchgesetzt hatte, sollte nun auch in der Samtgemeinde passieren. Wohlgemerkt ohne dabei die Situation mit der WTE einzubeziehen, wodurch die BürgerInnen bereits eine wesentliche Mehrbelastung gegenüber Bad Sachsa verkraften mussten. Selbst die CDU in den Räten der Samtgemeinde stellte hierbei fest, dass ohne die Entlastung der hohen Abwassergebühren keine weitere Erhöhung machbar ist, stimmten letzendlich aber trotzdem etliche Bürgerbelastungen zu, dehnten lediglich den Zeitpunkt aus.

Das Trauerspiel nahm aber seinen Höhepunkt daran, dass eine Bürgerbefragung in Wieda, die natürlich immer meine Unterstützung hatte, politisch abgelehnt wurde (weil die Bürger angeblich zu wenig informiert waren), Zorge und Walkenried führten solche Befragungen aber durch.  Aber was mussten wir in den Fusionsverhandlungen nicht alles erleben? Die SPD machte sich selbst schnell zur Bürgerbefragung und verlor massive Stimmen. Als Folge verlässt fast die gesamte SPD den Rat der Gemeinde Wieda (und verschafft der CDU einen Bürgermeisterposten), weil ihre Fusionsidee beim Bürger nicht gut ankommt und sie der SPD eine klare Fusionsabsage erteilen. Aber statt umzudenken, und den Bürgerwillen Akzeptanz zu sollen, wird beleidigt das Ratsmandat mit Füssen getreten. Die CDU freute dies natürlich. Haben sie doch soviele Zugewinne im Kommunalwahlkampf verzeichnen können, dass es (nach dem Rückzug etlicher SPDler) reichte, um einen Bürgermeister stellen zu können. Aber auch bei der CDU dauerte es jetzt nicht mehr lange, um für die Fusion zu sein. Schließlich, so durften wir es auf einige Infoveranstaltungen erfahren, ist eine Fusion alternativlos. Andere Ideen oder gar Bedenken hatten da keinen Platz, der Bürgerwille hatte keinen Platz. Es gibt natürlich keine Argumentation für eine Alternativlosigkeit. Die Bürgerinformationen waren immer sehr gut besucht und viele Bürger kamen zu Wort, überwiegend mit Bedenken, die sehr stimmig waren.

Und jetzt? Nachdem die Fusion gescheitert ist? So kann man ja auf die Alternative zurück greifen? Alternative? Eigentlich kann es nun wirklich nicht mehr wundern, dass der Bürger sich nicht ernst genommen fühlt. Jetzt gibt es also in der Alternativlosigkeit eine Alternative. Die Eigenentschuldung, die nie möglich war. Selbst das Land Niedersachsen und der Landkreis Osterode haben diese Möglichkeit damals als abwägig und nicht möglich bezeichnet. Und nun soll es doch gehen? Daran habe ich meine großen Zweifel. Und selbst, wenn man jetzt den Weg der Einheitsgemeinde beschreiten will. Was bedeutet dies konkret? Der Demokratieabbau geht weiter. Es wurde bereits angedeutet, dass die Gemeinderäte Wieda und Zorge zu Ortsräten mit sechs Mitgliedern umgestaltet werden könnten. Evtl. wäre ja sogar ein Ortsvorsteher besser? Das Positive der Fusionsscheiterung ist, dass Bad Sachsa nun nicht bestimmen kann und wird, was die Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde für Chancen haben. Aber nun wird wahrscheinlich Walkenried (oder gar Zorge) den Ton für alle anderen Gemeinden angeben. Gespart werden soll drastisch. Schulen, Kindergärten, usw. könnten der Schere sowieso zum Opfer fallen.

Das Land Niedersachsen treibt die Kommunen bewusst in eine Abhängigkeitspirale, aus der sie selbstständig nicht mehr heraus kommen. So hat die Samtgemeinde nur die Chance, dass großzügige Angebot des Landes anzunehmen, in sich deren Bedingungen zu unterwerfen. Die kommunale Selbstverwaltung ist damit nur noch Theorie und kaum noch anwendbar. Das Scheitern der Fusion war abzusehen, schließlich braucht man den Südharz nicht. Oder besser: Politisch braucht man die Samtgemeinde nicht. Mittlerweile gibt es Stimmen aus Bad Sachsa, die eine Verhandlung wieder aufnehmen wollen, wenn die Samtgemeinde entschuldet ist. Dies kann man auch nur als Polemik bezeichnen und zeigt erneut, welche Meinung man von der Samtgemeinde hat.

Die Fusion zwischen den Landkreisen Göttingen und Osterode ist besiegelt. Wenn es kein poltiische Umdenken gibt, werden Samtgemeinde Walkenried und Stadt Bad Sachsa, an den Rändern des neuen Landkreises, massiv abgehangen und eine Eigenentschuldung kann nur ein Wunschdenken sein.

Ohne Unterstützung des Landes (ohne Bedingungen) wird sich in der Samtgemeinde die Finanzsituation nicht verbessern. Es wird Zeit, dass die SPD und CDU beweisen, dass sie etwas für die Bürger und nicht gegen die Bürger tun wollen.  Die Linke. im Rat Wieda wird auch weiterhin sich gegen unsoziale Privatisierungen und Gebührenerhöhungen stellen. Eine Umwandlung in eine Einheitsgemeinde kann nicht gegen den Willen der Bürger vollzogen werden. Wenn die SPD und CDU im Samtgemeinderat und in den Räten der Mitgliedsgemeinde auch nur eine Hauch von Gewissen haben, würden sie eine Umwandlung in eine Einheitsgemeinde vorab per bindenden Bürgerentscheid absichern. Aber auch dies ist Wunschdenken ..

Von Timo